15.01.2011 Frankenpost: Die ersten Absolventen gehen am Montag in die Prüfung

In der Freien Montessori- Volksschule ist der Qualifizierende Hauptschulabschluss das Ziel der Schüler. Sie und ihre Lehrer fühlen sich in Berg rundum wohl.

Berg - Es scheint noch gar nicht so lange her, dass die Freie Montessori Schule im Landkreis Hof ihre Pforten geöffnet hat. Doch in diesem Schuljahr ist es bereits so weit: Die ersten Schülerinnen und Schüler bereiten sich auf ihre Abschlussarbeiten vor. Dabei geht es nicht nur um die "große Montessori-Abschlussarbeit", sondern auch um die externen Prüfungen für den "Qualifizierenden Hauptschulabschluss" an der Volksschule in Selbitz. Seit acht Jahren gibt es die Montessori-Schule im Landkreis Hof; in den ersten zwei Jahren war sie noch in Leupoldsgrün im Alten Schulhaus untergebracht. Nur zwei Jahre reichten dort die Platzkapazitäten aus, dann ging die Montessorivereinigung auf die Suche nach passenden Räumlichkeiten und wurde in Berg fündig. Bürgermeister Peter Rödel stand dem offen gegenüber und so stand dem Umzug der Montessori-Schule mit Beginn des Schuljahres 2005/06 in das Schulgebäude der ehemaligen Teilhauptschule nach Berg nichts im Wege.

 

Rege Nachfrage

Doch bereits vorher gab es "Montessori" im Landkreis Hof. Die Wurzeln der Montessori-Vereinigung Hof, die als Träger der Montessori Schule Berg agiert, reichen ins Jahr 1997 zurück. Damals gründete eine Handvoll engagierter Pädagoginnen und Pädagogen den Verein zunächst mit einer Beratungsstelle für ganzheitliches Lernen in bescheidenen räumlichen Verhältnissen. Die rege Nachfrage nach den Beratungs- und Kursangeboten für Kinder und Eltern war dann Anlass zur schrittweisen Erweiterung. Unter dem Dach der "Casa Montessori" in Hof entstanden im Laufe der Jahre ein Kinderhaus sowie eine interdisziplinär arbeitende Beratungsstelle mit mehreren Abteilungen. Seit 2003 hat die Montessori-Vereinigung Hof e.V. die Trägerschaft über die Freie Montessori-Volksschule Berg.

Zwei Jahre Vorlauf und intensive Arbeit für den Aufbau einer Elterninitiative waren nötig, ehe auf der Grundlage eines von der Regierung von Oberfranken genehmigten Konzeptes der Startschuss für den Schulbetrieb mit einer ersten jahrgangsübergreifenden Klasse im alten Schulhaus in Leupoldsgrün gegeben werden konnte. Die Nachfrage war groß und ein Umzug in geeignete Räumlichkeiten unvermeidbar. "Wir fühlen uns hier in Berg ausgesprochen wohl", erzählt Schulleiter Stephan Ludl und schwärmt von den großzügigen Räumen mit 70 Quadratmetern, Schulküche, Turnhalle und dem großen angrenzenden Freigelände mit Spielgeräten, Platz zum Toben und Tollen. "Das Grundprinzip der Montessori-Pädagogik besteht darin", sagt der Schulleiter, "die Schüler in einer vorbereiteten Umgebung, die ihrem Entwicklungstand angemessen ist, Themen selbstständig anhand von didaktischem Lernmaterial erarbeiten zu lassen."

Dabei hat die Freie Montessori-Volksschule Berg noch einige Besonderheiten zu bieten: Jahrgangsmischung, Hochbegabtenförderung, Fremdsprachenunterricht in Englisch ab der ersten Jahrgangsstufe, Kreativitätsförderung, Lernwerkstätten und Projektarbeit. 113 Mädchen und Jungen aus Stadt und Landkreis Hof besuchen derzeit die Schule, 15 von ihnen stehen vor dem Abschluss - derzeit vor der großen Montessori Abschlussarbeit, der sich Ende Juni, Anfang Juli die externen Prüfungen für den "Qualifizierenden Hauptschulabschluss" anschließen.

Aber zurück zur Montessori-Abschlussarbeit, die Theorie und Praxis in sich vereint sowie den Erwerb von Schlüsselkompetenzen im projektorientierten Unterricht und in Praktika ermöglicht. Durch das Miteinbeziehen außerschulischer Lernorte, den Erwerb von Kommunikationskompetenzen im Austausch mit Mentor und Praktikumsbegleitern kann sich der Schüler optimal auf die bevorstehende Arbeits- und Berufswelt vorbereiten.

Die Mädchen und Jungen sind hoch motiviert, stehen voll und ganz hinter ihren Abschlussarbeiten und wissen, wovon sie reden, sind selbstbewusst und offen. Da ist zum Beispiel Sophia Bayreuther aus Wölbattendorf, die als Thema "Farbliche Wandgestaltung - wie Farben uns und unsere Umgebung beeinflussen" gewählt hat. Sie wird den Raum, der bisher zum Chillen und Relaxen genutzt wurde, in ein Prüfungsvorbereitungszimmer verwandeln. Die bisher rosa gestrichenen Wände sollen dann in einem kräftigen Grünton erstrahlen, der Farbe der Frische, Natürlichkeit und Hoffnung. "Vielleicht abgetönt mit Gelb oder Weiß, das entscheide ich beim Arbeiten", sagt die Schülerin.

Die Abschlussarbeiten erhalten nun in puncto Präsentation noch den letzten Feinschliff, denn auf Bühnenbild, Abläufe und Sprechtechnik wird ganz besonderer Wert gelegt.

i-frankenpost2011-01-15a„Eigenständiges Arbeiten ist wichtig“

Sophia Bayreuther hat sich mit der Farbpsychologie auseinandergesetzt und wird im praktischen Teil die Wände eines Zimmers in neuem Farbton erstrahlen lassen.

Foto: Hüttner

 

 

„Eigenständiges Arbeiten ist wichtig“

i-frankenpost2011-01-15a-ludlRektor Stephan Ludl erläutert, warum die Persönlichkeits-Entwicklung im Fokus steht. Er verspricht, dass die Präsentationen über die Lehrplaninhalte hinausgehen.

Herr Ludl, vom 17. bis 19. Januar schreiben die Schüler der 9. Jahrgangsstufe ihre große Montessori-Abschlussarbeit. Worauf wird dabei Wert gelegt?

In unserer Schule legen wir bereits seit der ersten Jahrgangsstufe Wert auf eigenständiges Arbeiten an selbstgewählten Themen. Schon unsere Jüngsten forschen an Themen und stellen diese im Lerngruppenverband vor. Die große Montessori-Abschlussarbeit stellt sozusagen die Meisterprüfung in diesem Bereich dar, zu der die Schüler ihre in den Jahren erworbenen Kompetenzen einem breiten Publikum präsentieren können.

Welche Kompetenzen erwerben denn die Schüler Ihrer Meinung nach beim Schreiben dieser Arbeit?

Die Arbeit wird in ihrer Gesamtheit mehr dem gerecht, was für uns und unsere Pädagogik im Mittelpunktsteht – die Persönlichkeits-Entwicklung junger Menschen. Durch die Wahl eines selbstbestimmten Themas entwickeln die Schüler eine hohe Eigenmotivation, die sie über einen längeren Zeitraum planen, forschen, auswerten und das Thema erarbeiten lässt. Die Zusammenarbeit und Kommunikation mit dem Mentor, der die Arbeit der Jugendlichen begleitet, bereitet sie außerdem auf die Beziehung Ausbilder – Lehrling vor. Im Verlauf der Arbeit erleben die Schüler, dass Hochs und Tiefs zum Lern- und Entwicklungsprozess einfach dazugehören. Insbesondere die Lösung von Problemen, die während der Bearbeitung auftreten, erachte ich persönlich als ebenso wichtig wie das „Dranbleiben“ und „Durchbeißen“ an einer Sache. Nicht zuletzt in dieser Phase befinden sich unsere Schüler nun – sie nutzen Medien zur Präsentation ihrer Arbeit.

Sie erwähnten die selbstbestimmten Themen. Wie finden die Schüler ihre eigenen Themen?

Die Wege, wie die Schüler zu ihren Themen kommen, sind in der Tat sehr unterschiedlich. Mancher weiß sofort, mit welchen Inhalten er sich intensiver auseinandersetzen will. Oft – und das freut mich besonders – ist ein absolviertes Praktikum die Initialzündung für ein Thema. Zudem ergibt sich die Möglichkeit, einen Mentor für sich zu gewinnen fast von alleine. Bei anderen spielt der Zufall die entscheidende Rolle. Auf der Suche nach einem Thema fällt ihnen im wahrsten Sinne des Wortes ein Buch in die Hand, wodurch das Thema von einer auf die andere Sekunde klar ist. Aber auch schulische Inhalte können als Anregung dienen.

Jetzt haben Sie mich aber neugierig gemacht – auf welche Präsentationen dürfen sich unsere Leser denn freuen?

Sie dürfen sich wie ich auf Präsentationen freuen, die über die gewöhnlichen Lehrplaninhalte hinausgehen. So hat jeder Schüler die Chance, auch das Thema zu wählen, was zu ihm, zu seinen Interessen, zu seiner Persönlichkeit passt. Aus dem handwerklichen Bereich – auch eine Folgedes Praktikums – wird ein Schüler ein selbst gebautes Bettgestell präsentieren und die einzelnen Arbeitsschritte erläutern. Der „Gesundheitstag“ war Ausgangspunkt für zwei Schülerinnen, sich intensiver mit dem Thema Ernährung und Sport auseinanderzusetzen. Aus dem Bereich der Naturwissenschaften haben wir das Messen und Auswerten elektromagnetischer Wellen und die Funktionsweise von Photovoltaikanlagen gewählt. Abgerundet wird unser Angebot durch exotische Themen wie „Farbpsychologie“ und „Körpersprache“.

Darf jeder zur Präsentation kommen?

Ja, jeweils ab 18.30 Uhr präsentierendie Schüler ihre Arbeit. Danach haben Interessierte die Möglichkeit, sich zu den Themen zu informieren.

Das Gespräch führte Sandra Hüttner 


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